Zum Karriereende von Teresa Zenker

Die aktuelle Damenreihe des JVST kann sich durchaus sehen lassen. -63 kg: Friederike Stolze & Felizitas Aumann, -70 kg: Miriam Butkereit, -78 kg: Teresa Zenker, +78 kg: Peppa Plöhnert. Die physisch größte von ihnen wechselte zu Beginn dieses Jahres die Seiten zu Jeannette Wanke, Claudia Malzahn und Luise Malzahn. Teresa Zenker hört auf.
Die 183 cm große Athletin machte ihre ersten Schritte auf der Judomatte in Genthin. Ihrer großen Schwester Maria nacheifernd, die ohne Frage ein talentiertes Vorbild war und zur großen Genthiner Mädchen-/Frauengeneration gehörte, die regelmäßig bei Deutschen Kadetten- und Juniorenmeisterschaften vertreten war. Als Maria 2008 bei den Deutschen Meisterschaften der U20 teilnahm, konnte Teresa erst einmal nur davon träumen auch einmal bei einer Deutschen Meisterschaft mitzukämpfen, auch wenn sie in diesem Jahr Landesmeisterin der U12 wurde. Doch schon bald sollte sie ihre Schwester in Größe und Erfolgen überholt haben.
Bereits 2010 machte Teresa auch außerhalb Sachsen-Anhalts auf sich aufmerksam. Zuerst gewann sie Bronze beim Osterpokal in Kufstein und etwas später Silber beim Ega-Pokal, auch heute immer noch eines der am besten besetzten U13 Turniere Deutschlands.
Um ihrem Talent bessere Entwicklungsmöglichkeiten zu geben, folgte im selben Jahr auch der Wechsel an die Sportschule nach Halle. „Wir werden ihre sportlichen Aktivitäten weiter mit verfolgen und in Kontakt bleiben“, sagte ihre Trainerin und damalige wie heutige Jugendleiterin des JVST, Ines Ernst-Schiller, der Volksstimme. Dass einmal alle Judointeressierten Deutschlands auf die damals 12jährige gucken werden, hatte sie vermutlich auch nicht gedacht.
Nach den Erfolgen in 2010 und dem Wechsel an die Sportschule war der Titel der Mitteldeutschen Meisterin der U14 im Folgejahr fast die logische Konsequenz. Auch wenn sie, wie die Zeitung damals berichtete, als Mitfavoritin sichtlich nervös war, konnte sie schon dort eine Stärke zeigen, die sie ihre ganze Karriere begleiten sollte, sie gewann alle ihre Kämpfe im Boden.
Doch die frühen Judojahre waren nicht nur von Erfolg gekennzeichnet. Ihre erste Erfahrung auf einer Deutschen Einzelmeisterschaft kann man durchaus als unschön bezeichnen. Als damals 13jährige qualifizierte sich Teresa 2012 zur DEM U17 -52 kg und stand im ersten Kampf genau 24 Sekunden. Dass ihre Gegnerin an diesem Tag Deutsche Meisterin wurde, wird nur ein geringer Trost gewesen sein. In der Hoffnungsrunde hielt sie fast zwei Minuten durch, ihre Gegnerin hier wurde am Ende Fünfte. Definitiv kein gutes Los für eine erste Deutsche Meisterschaft.
Teta, wie sie eigentlich von allen genannt wird, ließ sich davon nicht entmutigen, nahm aber einen kleinen Umweg. Sie ging für einen Austausch drei Monate nach Südafrika. Auch wenn das Land am Kap der guten Hoffnungen nicht für sein Judo bekannt ist, vergas Teta dort nicht den Judoanzug anzuziehen, trainierte unter anderem mit Geronay Whitebooi, welche Südafrika 2020 und 2024 bei Olympia repräsentierte. Das Land sollte sie auch nicht so schnell loslassen und so folgten weitere Reisebesuche in späteren Jahren.
Zurück in Deutschland und den großen Wachstumsschub hinter sich, hieß es erst einmal wieder Standortbestimmung im deutschen Judo. Mit Platz fünf und drei bei Bundessichtungsturnieren, nun in der Gewichtsklasse bis 70 Kilogramm, zeigte sie, dass weiter mit ihr zu rechnen war. Ein Fakt, den ihre Bronzemedaille bei der DEM U18 im Jahr 2015 noch einmal unterstrich. Ihre erste DEM-Medaille, fünf weitere sollten folgen.
2016 gab es den nächsten großen Wechsel in ihrem Leben. Das Jahr begann unschön. Ihre erste große Verletzung verlangte eine Operation und eine längere Zwangspause, es sollte glücklicherweise ihre einzige bleiben. Die Zeit nutzte Teta aber sinnvoll und schloss die Schule mit dem Abitur ab. Mit diesem Abschluss verlangt das deutsche Sportsystem den Wechsel an einen Bundesstützpunkt. Die Entscheidung fiel Teresa relativ leicht und sie entschied sich ihrer Trainingspartnerin und Vorbild Luise Malzahn nach Berlin zu folgen. Mit dem Ortswechsel kam auch der Gewichtsklassenwechsel zu Lui hin. Damit entstand ein Vergleich, den die Presse in der Zukunft noch gern bedienen wollte. Auf den ersten Blick ein logischer, beide vom SV Halle, beide am BSP in Berlin und in der gleichen Gewichtsklasse international erfolgreich. Auf den zweiten Blick, bei den sehr unterschiedlichen Kampfstilen und Stärken, doch etwas abwegig.
2017 kam dann ihr großer Durchbruch. Auch wenn es bei der DEM U21 noch nicht für Gold, sondern „nur“ Bronze, reichte, nahm Teresa die Goldmedaille vier Wochen später beim Europa Cup U21 in Ligano entgegen. Eine Bronzemedaille beim EC in Berlin und eine weitere Goldmedaille beim EC der Frauen in Bratislava brachten ihr die Nominierung zum ersten Höhepunkt ihrer Karriere, die U21 WM in Zagreb.
Dort ging sie, wie sie später selbst sagte, ohne Erwartungen in den Wettkampf und konnte ohne Druck von Kampf zu Kampf diesen Tag zu ihrem Tag machen. Angefeuert von einem großen familiären Fanclub, ihre Schwester Maria reiste 20 Stunden mit dem Bus an, war, in einem Jahr in dem die Regeln unendlich viele Waza-ari erlaubten, der sichere Weg zum Ippon für Teresa die Bodenarbeit. In ihren vier Kämpfen bis zum Finale brachte ihr eine Festhalte viermal die siegbringende Wertung ein, auch wenn nicht verschwiegen werden soll, dass sie auch drei Wertungen im Stand holte. Im Halbfinale lag Teta sogar schon mit Waza-ari zurück, wurde per tiefem Seoi-nage auf die Seite befördert. Das Problem für ihre Gegnerin war nur, danach befanden sich beide im Boden und Teresa nutzte dies direkt um sich die Festhalte zu erarbeiten, die ihr den Einzug ins Finale sicherte. Dort war es dann verkehrte Welt, denn mit einmal lag sie in einer Festhalte aus der es kein Entrinnen gab.
Trotz der ersten Enttäuschung über das verlorene Finale, freute sie sich über Silber bei ihrer ersten Junioren-WM. Das hatte noch keine ihrer Vorgängerinnen geschafft, mit einmal erfolgreichste Juniorin Sachsen-Anhalts und noch ein weiteres Jahr um Medaillen zu sammeln.
Von „ohne Druck kämpfen“ konnte ab jetzt schwerlich die Rede sein. Doch Teresa hielt dem Druck stand, holte im Januar ihre erste Medaille bei der DEM der Frauen, im Februar direkt danach in Herstal Gold und konnte beim renommierten Thüringenpokal zusammen mit Friederike Stolze ihrem Trainer Stephan Fröhlich eine ganz besondere Freude machen, Doppel-Gold für Sachsen-Anhalt. Auch bei den EC sammelte sie wieder fleißig Medaillen, Silber in Berlin und Bronze in Leibnitz sowie Podcetrtek bei den Frauen. Damit buchte Teta ihr Ticket auf die Bahamas, aber nicht für einen schönen Urlaub, sondern für die Junioren-WM 2018. Sie selbst gab vorher das Ziel einer Medaille aus, am Ende fehlten dafür 20 Sekunden. Nach zwei Siegen im Boden, wie könnte es anders sein, führte sie im Halbfinale mit Waza-ari bis sie kurz vor Schluss versuchte einen Uchi-mata ihrer Gegnerin gegenzudrehen, doch diese schob so lange nach, bis Teresa auch wirklich auf der Seite lag. Im Golden Score wurde ein Ansatz von ihr gekontert und damit Kampf um Bronze statt um Gold. Im kleinen Finale traf sie auf die von ihr vorher als Turnierfavoritin ausgerufene Particia Sampaio. Nachdem beide einen Waza-ari erzielt hatten, war es auch hier 20 Sekunden vor Schluss, als die Portugiesin noch einmal mit einem Seoi-nage durchkam und Teta nur der undankbare fünfte Platz blieb.
Was folgte war ein schwieriger Übergang in den Erwachsenenbereich. Das Olympiarennen zwischen Luise Malzahn und Anna-Maria Wagner nahm die Startplätze bei Grand Slams weg, die Einsätze bei den niedriger eingestufte Grand Prix‘s verliefen, abgesehen von Platz sieben in Montreal im Senioren Jahr, unglücklich, auch wenn sie mit Medaillen bei den European Open in Luxemburg (Silber) und Tallin (Bronze) zeigte, dass sie das Niveau dafür hat. Ebenso unterstrich sie bei der U23 EM, für die sie 2019 nominiert wurde, ihren Anspruch und gewann Silber.
2020 durfte sie dann zum ersten Mal beim Grand Slam in Paris kämpfen, für jeden Judoka ein Highlight. Danach war erst einmal Schluss mit Wettkämpfen. Die Corona-Pandamie legte die Welt lahm und auch Teresa ging erst wieder 2021 auf die Wettkampfmatte und das mit Erfolg. Zunächst national, in Abwesenheit der Olympiakandidatinnen Wagner und Malzahn, gewann Teresa die Deutschen Meisterschaften. Der Weg war damit bereitet, der Anspruch für den Olympiakampf 2024 und als Nachfolgerin von Luise direkt gesetzt. Nur formulierte Teresa diesen nie selbst so, er wurde ihr von allen Seiten aufoktroyiert. Die Konkurrenzsituation und das ständige Gerede von 2024, obwohl die Spiele 2020 noch gar nicht stattgefunden hatten, waren ihr zu viel, sie hätte sich mehr Ruhe gewünscht.
Drei Wochen nach ihrem ersten DEM-Titel bei den Erwachsenen gab es in Zagreb, der Stadt ihres größten Erfolgs, ihre erste Grand Prix Medaille, Bronze, natürlich gesichert mit einer Festhalte. In Baku beim Grand Slam hatte sie direkt die nächste Medaillenchance, musste sich aber mit Platz 5 zufriedengeben. Die Erfolgswelle riss auch in 2022 zunächst nicht ab. Mit dem erneuten Deutschen Meistertitel manifestierte sie ihre Position als deutsche Nummer 3 und auch international gab es Siege. Vier Siege zu Gold bei den EO Madrid, drei zu Bronze bei den EO Riccione, doch auf der World Tour sollte es nicht mehr über Runde 2 hinausgehen.
So war ihr letzter internationale Wettkampf noch einmal in Madrid. Und auch wenn Zagreb sicherlich passender gewesen wäre, so gab es zum Abschluss der internationalen Karriere eine Silber-Medaille. Nach dem Karriereende von Luise Malzahn wurde durch den Gewichtsklassenwechsel von Alina Böhm und die aufkommende Anna Monta Olek die Konkurrenzsituation in der 78-Kilo-Klasse keinesfalls entspannter.
Somit hat sie zum Ende 2024 ihre internationale Karriere selbstentschieden beendet und musste es sich nicht von einer Verletzung aufzwingen lassen.
Nicht nur auf ihre erkämpften Erfolge kann Teresa stolz zurückblicken. Ein weiteres Highlight war sicherlich, dass es ihre Freundin und Trainingskameradin Renee Lucht 2024 zu den Olympischen Spielen geschafft hat. Außerdem war sie Olympiaexpertin im Judomagazin für ihre Gewichtsklasse und hat zusammen mit Anna-Maria Wagner bei einer Lehrgangstour die neuen Anzüge der Judonationalmannschaft als erste getragen.
Auf einigen weiteren Lehrgängen war Teta in der Vergangenheit zu sehen, brachte Kinderaugen zum Leuchten und sorgte für unvergessliche Erinnerungen. Auch darauf kann Teresa stolz sein, und das kann ich aus erster Hand bestätigen, sie verkörpert die Judowerte. Immer nett und freundlich, immer ein Lächeln auf den Lippen, egal wie groß oder klein der Fan auch ist, der nach einem Autogramm oder Gespräch fragt. So hört man auch nur positive Geschichten wenn man ihren Namen im Gespräch mit Judoka aus Deutschland, Portugal, Südafrika oder anderen Ländern erwähnt.
Die Zeit seit ihrem Karriereende nutzte sie bisher um zu lernen, wie es ist ohne Judoanzug zu reisen und mal etwas von fremden Ländern zu sehen, was keine Judohalle ist. Auch dafür hat sie sich, zumindest zeitweise, Unterstützung von ihrer großen Schwester geholt und ist mit ihr durch Australien getourt um dann im Anschluss noch dreieinhalb Wochen alleine in Down Under zu verbringen. Etwas später ging es dann nach Norwegen und zuletzt mit ihrem langjährigen Freund Till in die Türkei. Ihr Freund war selbst Leistungsschwimmer und sowohl während ihrer aktiven Zeit wie auch jetzt im Übergang in das „normale“ Leben eine große Unterstützung und wichtiger Rückhalt. Im Türkeiurlaub gab es auch das bisher letzte Highlight, ein Heiratsantrag ihres jetzt Verlobten.
Zum Abschluss möchte sich Teresa bei ein paar Menschen bedanken, die ihre Karriere auf und neben der Matte geprägt haben.
Bei Ines Ernst-Schiller für die Grundlagen der Judowerte und Disziplin, sowie den Grundstein für ihre Bodenstärke.
Bei Mike Kopp, der viele Einzelstunden im Training mit ihr verbringen wollte und müsste und mit der Aufmerksamkeit für das damals einzige Mädchen der Trainingsgruppe einen positiven Einfluss hatte. Bei Marc Burmeister zu dem heute noch Kontakt besteht, der einige Monate Trainingspartner und Trainer war und zur positiven charakterlichen Prägung beigetragen hat.
Bei Claudia Malzahn, die, wenn auch nur kurzzeitig, eine großer Vorbildwirkung als Trainerin hatte.
Bei Werner Schulze, auch wenn der Erfolg in dieser Zeit ausblieb, wurde mit ihm die Grundlage für die Erfolge der Juniorenjahre und danach gelegt. Außerdem für seine Unterstützung, sowohl akut als auch im Prozess der Heilung, während der schweren Verletzung und die erzieherische Unterstützung in der Jugend.
Bei Stephan Fröhlich für die judotechnische und charakterliche Unterstützung.
Bei Ingo Michalak, Geschäftsführer des SV Halle, für die finanzielle Unterstützung für den Leistungssport, die eine Absicherung während der harten Leistungssportjahre war.
Bei Frank Borkowski, BSP Trainer Berlin, mit dem eine gute menschliche Harmonie bestand und der ihr den selbstgemachten Druck genommen hat.
Bei Sandra und Jürgen Klinger für neue Einflüsse und neue Trainingsreize um noch einmal ein höheres Level in ihrem Judo zu erreichen.
Beim Judo-Verband Sachsen-Anhalt, dem SV Halle und dem Judo-Verband Berlin für die Trainingsmöglichkeiten und Unterstützung.
Bei Familie und Freunde für das Verständnis bei wiederkehrenden Geburtstagsabsagen und kurzfristigen Absagen wegen Trainingslagern oder Wettkämpfen.
„Und auch danke an mich selbst und meinen Körper, dass dieser so gut durchgehalten hat. Ich bin stolz darauf, dass ich mir selbst immer treu geblieben bin und mich nicht für den sportlichen Erfolg charakterlich verbogen habe“
Teresas eigene Worte zu ihrer Laufbahn kann man im Podcast „Gios Randori“ nachhören:
https://www.youtube.com/watch?v=HR23qqjN08c
https://open.spotify.com/episode/2Po9qbsEUlJk9wz0TRzNAS?si=5lUk__P8Tb6RMREBUH3AIw